Josef Knecht - Ein Mensch în Suche Nach der Selbstverwirklichung

EINLEITUNG

Das zentrale Thema dieser Arbeit ist die Analyse des Weges und des Zieles der Selbstverwirklichung des Menschen. Der Leser soll verstärkt dazu angeregt werden, sich mit seinem Inneren auseinanderzusetzen. Die Kohärenz des Abendlandes und des Fernen Ostens sowie das Bedűrfnis des Europäers nach Selbstversenkung und Ruhe, was er in Ostasien zu finden glaubt, sollen aufgezeigt werden. Das Ziel dieser Arbeit ist auch, die gemeinsame Basis aller Religionen, Kulturen und Denkformen aufzuzeigen, um die Widersinnigkeit des Rassismus zu unterstreichen. Da in der Forschung űber das hier zu besprechende Werk Hermann Hesses die Bedeutung Chinas und Indiens fur den Schriftsteller vernachlässigt wurde, sollen in dieser Arbeit vor allem auch die ostasiatischen Motive herausarbeitet werden.

Knecht gilt als Idealtypos des Menschen, der sich stufenweise mit seinem Schicksal selbst verwirklicht. Die erste Stufe aus seinem Weg zur Vollkommenheit ist die Berufung nach Kastalien. Knecht musiziert gemeinsam mit dem Musikmeister und er wird von ihm auch űber die Fundamente des Ordens belehrt. Der Magister Musicae wird das lebenslage Leitbild des Repetenten; sein Ziel ist die Vervollkommung seiner Selbst. Das gemeinsame Musizieren sowie die Belehrung sind die beiden ersten Grade der Berufung, die in der Begegnung mit Plinio zur Synthese zusammengefűhrt werden. Der meditativ –unbewusste und der wissenschaftlich-analytische Pol der Berufung sind die Basis fűr die erlebte Synthese, die gleichzeitig der Abschluss der ersten Stufe im Leben Knechts ist.

Plinio Designori als Vernűnftiger repräsentiert die Welt, Knecht als Frommer ist Apologet des Geistes, des Ordens. Das Verhältnis der beiden ist vom Kampf bestimmt und dann entwickelt es sich ein Freundschaft-Feindschaft-Verhältnis.

Während seiner Studienjahre muss er Lebensläufe schreiben; das ist ein Zeichen seiner Kreativität, seines Yang-Poles. Er erkennt Gemeinsamkeiten zwischen der chinesischen Ideographie und dem Aufbau des Glasperlenspiels. Knecht mőchte das 1 Ging in das Spiel einbauen und besucht deshalb den Älteren Bruder, einen Eremiten. In dieser Begegnung, die der zweite Grad der Berufung ist, erkennt Knecht, daß Selbstisolation und Flucht vor der Verantwortung nicht sein Weg sind. Der zukunftige Magister Ludi erkennt, daß das 1 Ging umfassender als das Glasperlenspiel Waldzells ist.

Anschliessend besucht er den Pater Jakobus, der eine Huldigung an den Baseler Historiker Burckhardt ist. Jakobus hat in sich die Symbiose von Geist und Sinnlichkeit verwirklicht. Knecht erwacht in dieser Begegnung vollständig und blitzartig. Sie ist eine Synthese der beiden ersten Grade des Erwachens.

Das 1 Ging stellt die őstliche und die westliche Komponente in Knechts Weltsicht dar. Die Polarität als Grundlage aller Erscheinungen erlaubt Knecht die Relativität aller Erscheinungen, und auch Kastaliens, zu erkennen.

Kastalien ist nur die halbe Welt. Es ist nur ein halbwertiges 1Ging fűr die westlichen Intellektuellen, solange die Ordensmitglieder die Welt und die Weltgeschichte verachten.

Knecht erkennt, daß das űberkastalische Glasperlenspiel das Leben in seinen Gegensätzen bedeutet; er erkennt die Vergänglichkeit allen Sachen und die Abhängigkeit von Geist und Welt. Die Harmonie von vita activa, dem männlichen Pol in Knechts Seele, sowie vita contemplativa, dem weiblichen Pol, ist notwendig.

Der Charakter des Magister Ludi zeichnet sich durch Demut, Geduld, Heiterkeit und Frőmmigkeit aus. Er hőrt auf seine innere Stimme und lebt im Einklang mit seinem Schicksal – indem er das Wu Wei praktiziert. Er dient der Gemeinschaft, ohne seine Individualität zu verlieren.

Zahlreiche ostasiatische Motive wie die Einsamkeit, das Leben in Einklang mit seinem Schicksal, die innere Stimme und das intuitive Denken, die Meditation, das Wu Wei, der Wandel und die Vergänglichkeit aller Erscheinungen sind in dem Werk von Bedeutung.

Der erste Grad der dritten Stufe seines Lebens ist die Berufung zum Spielmeister Waldzells. Sein Inaugurationsspiel ist der chinesischen Hausbaukunst gewidmet. Das ludus solemni ähnelt der Zeremonie eines Gottesdienstes. Die erneute Begegnung mit Plinio stellt den Gegenpol der dritten Stufe des Abschieds dar. Knecht und Designori plädieren fűr die Koexistenz beider von ihnen vertretenen Welten. Plinio bittet dem Magister seinen Sohn zu erziehen.

Knecht verlässt den Orden um sich selbst zu realisieren und in der Welt tätig zu sein. Zahlreiche Symbole, wie die herbstliche Jahreszeit, kűndigen den Tod des Vollendeten an. Der Vollendete geht im halb schattigen, halb hellen See unter. Die Sonne als Symbol der Einheit erhellt die Landschaft: den Berg als Symbol des Konfuzius und das Wasser als Symbol der Lao Tse.

Im abschliessenden Kapitel soll Hesses Idee der alle Glaubensformen der Menschen umfassenden Urreligion kurz vorgestellt werden. Es werden zahlreiche Gemeinsamkeiten der drei Weltreligionen Taoismus, Buddhismus und Christentum aufgezeigt, um den Eindruck zu vermeiden, daß der Autor mit seinem Werk Das Glasperlenspiel eine rein taoistische Lebenspraxis und –weisheit postuliert.

1 Die drei Stufen von Knechts Lebensweg

Josef Knecht, űber dessen Herkunft und Elternhaus der Leser nichts erfährt, ist Schűler in Berolfingen, einer Lehranstalt des Ordens.

Der Musikmeister, Mitglied der erziehungsbehorde in Kastalien, besucht ihn, um zu prűfen, ob Knecht fur die Aufnahme in die Eliteschule in Waldzell geeignet ist. Die Begegnung mit dem Musikmeister versetzt den etwa zwőlfjährigen Knaben in Unruhe.

Der Musikmeister und Knecht, der seinen Lehrer als Vorbild und Leitbild betrachtet, musizieren gemeinsam. Der Magister zeigt den Jungen, ohne zu sprechen, was Musik ist. Knecht ahnt hinter dem Tonwerk den Kern und das Wesen der Musik, die Harmonie der Gegensätze in der Einheit. Er erlebt meditativ in seinem Inneren die Harmonie zweier gleichwertiger Pole, die eine Einheit bilden und die Grundlage der Gesetzmässigkeiten der Welt repräsentieren.